Das war der Businesstreff im Heilig-Geist-Hospital

Positive Entwicklung innerhalb eines Jahres

Monatelang war das Heilig- Geist-Hospital nicht aus den Negativschlagzeilen herausgekommen. Hiobsbotschaften machten die Runde. Es ging um Sparpläne, die Schließung ganzer Abteilungen, schließlich um Insolvenz. Die Diagnose lautete: Herzstillstand. Von der Nulllinie ist man ein gutes Jahr danach weit entfernt. „Die Klinik hat sich schneller entwickelt als erwartet“, sagt HGH-Geschäftsführer Dr. Benjamin Behar von der Artemed-Gruppe, die das Haus im Juli 2016 übernommen hatte. Über die aktuelle Situation und die Motivation für eine Übernahme informierte Behar am Dienstag die Mitglieder der Wirtschafts-Vereinigung Bensheim (WVB) bei ihrem regelmäßigen Business-Treff.

Diesmal bei einem ehemaligen Bensheimer Sorgenkind, das nach zwei betriebswirtschaftlichen Schlaganfällen endlich wieder aus der Intensivstation entlassen wurde. Zuletzt gehörte das Hospital zur Südhessischen Klinikverbund GmbH, dessen Eigentümer die Universitätsklinik Mannheim war. Am 2. Mai letzten Jahres wurde das Insolvenzverfahren über den Südhessischen Klinikverbund mit seinen Standorten in Lindenfels, Lampertheim und Bensheim eröffnet. Mit einem modernen und einem den regionalen Gegebenheiten angepassten medizinischen Konzept hat der Träger aus Tutzing am Starnberger See die Klinik wieder auf Vordermann gebracht.

Bensheim ist der erste hessische Standort im Portfolio der Gruppe, das aktuell zwölf Kliniken umfasst – von Hamburg bis München, von Simmerath (Nordrhein-Westfalen) bis nach Berlin.

Die Häuser sind zwischen 100 und 300 Betten klein. Die Motivation, den kränkelnden Bensheimer Krankenhaus-Standort zu übernehmen und damit letztlich zu retten, steht auf mehreren Beinen. Zum einen hält Behar die größte Stadt im Landkreis für ein ideales Umfeld. Die Infrastruktur vor Ort sei gut, der Neubau von 2007 jünger als die meisten vergleichbaren Bestandsgebäude in Deutschland.

Mit der Termin-Ambulanz hat das Hospital einen weiteren Schritt in Richtung Prozessoptimierung eingeleitet, sagte der Geschäftsführer. Die neue Einrichtung im frisch renovierten Trakt im Erdgeschoss ermöglicht eine Trennung von Notfall- und Termin-Ambulanz, so dass neben der Gewährleistung bestmöglicher medizinischer Versorgung den Patienten mit Terminen künftig längere Wartezeiten erspart blieben. Das Heilig-Geist-Hospital biete eine solide Grund- und Regelversorgung mit klar definierten fachlichen Schwerpunkten und einem frisch formierten Personalbestand. „Wir investieren lieber in Menschen als in Steine.“ Neben der Notfallmedizin, der Allgemein- und Viszeralchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Kardiologie, Gastroenterologie, Anästhesie und Intensivmedizin verfügt das Haus über eine Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe.

Mit bislang mehr als 450 Geburten im Jahr 2017 ist die Abteilung gefragt wie selten zuvor, so Behar. Nach der Übernahme sei es schnell klar gewesen, dass dieser Bereich weitergeführt wird. Gemeinsam mit den Belegärzten habe man eine zukunftsgerichtete Strategie erarbeitet. Ergänzt wird das medizinische Portfolio von einem hochspezialisierten Zentrum für Urologie.

„Die Ausstattung und Kompetenzen der Fachabteilungen sind entscheidend, nicht die Anzahl der Betten“, betonte der geschäftsführende Direktor im Artemed-Verbund, der seit 2016 auch für das Heilig-Geist Hospital verantwortlich ist. Die Kapazitäten einer Klinik seien kein Qualitätsmaßstab. „Kleine Häuser bieten kürzere Wege und haben in der Regel weniger Abstimmungsprobleme.“

Die Individualität einer Klinik und ihre lokale Verankerung sei das Fundament, auf dem die Weiterentwicklung des medizinischen Bereichs fußen müsse, meint Behar. Die Patienten sehen das offenbar ähnlich: Nach Angaben von Artemed hätten viele Bensheimer – und Menschen aus der weiteren Region – schnell wieder neues Vertrauen in das Hospital gewonnen. Bereits innerhalb der ersten Monate habe man einen deutlichen Anstieg der Krankenversorgung verzeichnet.

Wirtschaftlichkeit dürfe nicht das erste Gebot für ein Krankenhaus sein. „Man darf das System nicht auf den Kopf stellen“, so Benjamin Behar. Nur mit einem klaren medizinischen Profil und guten Köpfen könne eine Klinik langfristig wirtschaftlich tragbar sein. Der Geschäftsführer ist optimistisch, dass die Klinik auf einem guten Weg der Genesung ist. Eine Überversorgung in der Region erkennt er nicht: Jedes Haus sei wichtig und ergänze sich mit den anderen. „Es gibt im Landkreis genug potenzielle Patienten für alle Häuser.“ Ein Wettbewerb sei nicht schädlich, sondern steigere eher die Qualität der Leistung.

Die Wirtschats-Vereinigung hofft, dass die Bensheimer noch lange an ihrem Krankenhaus haben werden. Vorsitzender Andreas Jäger bedankte sich für die Einblicke beim Business-Treff.

Text von Thomas Tritsch, erschienen im Bergsträßer Anzeiger am 20. Oktober 2017