Soforthilfen / Mikrokredit und Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz

Liebe MitgliederInnen,

in unserer VTP Mandanten-Info Nr. 4 zu Corona vom 25.03.2020 hatten wir Sie allgemein zu den Finanzhilfen für Familien und Unternehmen informiert. In dieser Info wollen wir Sie vertiefend über die Soforthilfen sowie den erst ab heute möglichen Antrag der „Hessen-Mikroliquidität“ für Selbständige und Unternehmen informieren.

Zur Einleitung in das Thema: Politik und Medien suggerieren, dass quasi jeder Selbständige Soforthilfen bis zu € 30.000 und ab heute in Hessen darüber hinaus auch Mikrokredite bis zu € 35.000 erhalten kann. Dem ist aber nicht so! Beide Hilfen sind an relativ strenge Voraussetzungen geknüpft und eben nicht für jeden, und dann auch nicht zwingend bis zu den Höchstbeträgen verfügbar.

Soforthilfen für Selbständige und Unternehmen (am Beispiel Hessen)

a. Wie hoch ist die Soforthilfe maximal?

  • Bei 0 bis 5 Arbeitnehmer bis zu 10.000 Euro
  • Bei 6 bis 10 Arbeitnehmer bis zu 20.000 Euro
  • Bei 11 bis 50 Arbeitnehmer bis zu 30.000 Euro
  • Rückzahlung: Die Soforthilfe muss nicht zurückerstattet werden, wenn der ausgezahlte Gesamtbetrag zur Überbrückung des Liquiditätsengpasses benötigt wird. Bei Überkompensation muss der Differenzbetrag zurückgezahlt werden.
  • Hinweis: Wird zunächst zu vorsichtig geschätzt, um zu vermeiden, dass zu hohe Mittel abgerufen werden (weil u.a. auch mit Subventionsbetrug nach § 264 StGB gedroht wird, wenn leichtfertig falsche oder unvollständige Angaben gemacht werden), kann nicht in einem Folgeantrag die tatsächlich höhere Liquiditätsunterdeckung nachbeantragt werden!

b. Was wird finanziert?

  • Ausschließlich zu erwartende Unterdeckungen von Einnahmen und Ausgaben im erwarteten Geschäftsbetrieb für die Dauer von 3 Monaten.
  • Wirtschaftliche Schwierigkeiten dürfen nicht bereits vorher bestanden haben, d.h. Schadenseintritt aufgrund Corona ab dem 11.03.2020
  • Private Ausgaben wie Krankenversicherung, Lebenshaltungskosten, etc. sind nicht in die Berechnung der Unterdeckung mit einzubeziehen.
  • Es ist eine Prognose zu erstellen, nach der die zu erwartenden Unterdeckungen der nächsten 3 Monate ermittelt werden:
  • Nur für diese Unterdeckung kann Soforthilfe beantragt werden!
  • Liegt die Unterdeckung unter dem Maximalbetrag der jeweiligen Unternehmensgröße nach Arbeitnehmern, so stellt die errechnete Unterdeckung den maximal beantragungsfähigen Betrag dar.
  • Liegt die Unterdeckung über dem Maximalbetrag der jeweiligen Unternehmensgröße nach Arbeitnehmern, so können die oben dargestellten Maximalbeträge beantragt werden. Aber: Für übersteigende Unterdeckungen kann in Hessen der unten unter 2. dargestellte Mikrokredit beantragt werden.

c. Wie erfolgt die Antragstellung?

Elektronisch, in Hessen über https://rp-kassel.hessen.de/corona-soforthilfe

Mikrokredit in Hessen für Selbständige und Unternehmen

a. Was ist ein Mikrokredit?

Der Mikrokredit kann seit dem 03.04.2020 von Minimum € 3.000 bis zu einer maximalen Höhe von € 35.000 beantragt werden. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass er

  • mit 0,75% sehr zinsgünstig ist,
  • 7 Jahre Laufzeit hat, von denen die ersten beiden tilgungsfrei sind,
  • nicht über die (wahrscheinlich sowieso überlastete) Hausbank beantragt werden muss, sondern über akkredierte Kammern wie z.B. die IHK.

b. Was sind die Details und Voraussetzungen des Mikrokredits?

Wir möchten uns an dieser Stelle eine detaillierte Darstellung ersparen und verweisen auf folgenden Link, der eine nahezu perfekte Beschreibung der Hessischen Mikrokredite liefert:


https://www.ihk-wiesbaden.de/service/coronavirus/hessen-mikroliquiditaet-finanziert-corona-engpaesse-4756894#titleInText0 bzw. alternativ der WI-Bank direkt https://www.wibank.de/wibank/hessen-mikroliquiditaet/hessen-mikroliquiditaet-522074

  • Allerdings möchten wir doch anmerken, dass die Voraussetzungen für den Mikrokredit nahezu die gleichen sind wie dir zur Soforthilfe, nämlich oben unter 1.b. dargestellt, also gibt es diese Finanzierung nur für
  • ab dem 11.03.2020 Corona-bedingt entstandene betriebliche Unterdeckungen,
  • die idealerweise nicht bereits über Soforthilfen aufgefangen wurden!

c. Wie erfolgt die Antragstellung?

  • Elektronisch, Sie können hierzu ebenfalls den oben unter 2.b. stehenden Link der IHK verwenden.

Würdigung der Soforthilfen und des Mikrokredits bzw. „Von was soll ich als Unternehmer leben“?

a. Würdigung

  • Wie gezeigt werden mit den Hilfen nur aufgrund der Corona-Krise eingetretene Unterdeckungen im betrieblichen Bereich ausgeglichen.
  • Wer Unterdeckungen nachweisen kann, sollte zuerst Soforthilfe beantragen, da diese nicht zurückbezahlt werden müssen.
  • Wer über den Maximalbeträgen der Soforthilfe Unterdeckungen nachweisen kann, kann zusätzlich den Mikrokredit bis zur Höhe weiterer nicht ausgeglichener Unterdeckungen beantragen.
  • Diese Instrumente sind jedoch nicht geeignet, bei Verlustsituation das persönliches Leben zu finanzieren!

b. Von was soll ich aber nun als Unternehmer leben?

c. Praxiserfahrungen

  • Die Antragsportale sind oft überlastet, bitte bewahren Sie Ruhe und probieren Sie es hartnäckig.
  • Nach unserer ersten Erfahrung (die sicherlich noch nicht repräsentativ sind) werden (berechtigt gestellte!) Soforthilfeanträge wirklich schnell bearbeitet: Die schnellste Bewilligung erfolgte innerhalb von 24 Stunden, die längste innerhalb von einer Woche; alle von uns für Mandanten gestellten Anträge wurden bislang (sofern die Antragsbearbeitungen stattfanden) bewilligt.
  • Erfahrungen hinsichtlich der Beantragung der Mikrokredite bestehen infolge dieses neu geschaffenen Instrumentariums noch nicht.

Weiterer möglicher Anspruch: Verdienstausfallentschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz

Einige von Ihnen sind durch die Corona-Krise unmittelbar durch verordnete Betriebsschließungen betroffen. Zum Glück ist uns bislang in unserem Mandantenkreis kein Fall bekannt, in dem durch eine Infektion der Betrieb geschlossen werden musste.

Während Sofort-Hilfe und Mikrokredit höchstens Liquiditätslücken durch wegfallende Umsätze und gleichzeitig nicht / nur teilweise zu reduzierenden Betriebsausgaben kompensiert, möchten wir der Vollständigkeit halber nochmals ausdrücklich auf die Antragsmöglichkeit auf Verdienstausfallentschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz aufmerksam machen. Hierbei möchten wir weder falsche Hoffnungen wecken, noch eine Rechtsberatung vornehmen, sondern lediglich auf die Einhaltung notwendiger Fristen hinweisen.

a. Was gilt als sicher?

Unstrittig ist der Entschädigungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) für Unternehmer, die unter Quarantäne gestellt bzw. abgesondert werden in Höhe des Verdienstausfalls. Es muss hierfür ein gesundheitsbehördliches Beschäftigungsverbot vorliegen.

Selbständig Tätige müssen den Antrag auf Entschädigung in Hessen direkt bei ihrem zuständigen Gesundheitsamt stellen, d.h. bei der Gesundheitsbehörde, die das Beschäftigungsverbot ausgesprochen hat.
Umfangreiche Informationen zu den Voraussetzungen und dem Verfahrensablauf zur Entschädigung bei Tätigkeitsverbot finden sich auf der Seite der Gesundheitsämter. Für Hessen: https://service.hessen.de/html/Infektionsschutz-Entschaedigung-bei-Taetigkeitsverbot-7007.htm .

  • Bitte berücksichtigen Sie, dass der Antrag binnen 3 Monaten nach Beginn des Tätigkeitsverbots oder der Absonderung zu stellen ist.

b. Was ist noch unsicher?

Noch nicht geklärt ist die Frage, ob auch ein Anspruch auf Entschädigung des Verdienstausfalls aufgrund der Allgemeinverfügungen, durch die Betriebsschließungen angeordnet wurden, besteht.

Der oben erwähnte § 56 InSG weist ausdrücklich auf Entschädigungsansprüche von im Einzelfall betroffenen Individuen hin. Das deutsche Verwaltungsrecht kennt gemäß einer Internetrecherche für rechtmäßiges Handeln der öffentlichen Verwaltung nur äußerst rudimentär ausgestaltete Entschädigungsansprüche – insbesondere den Anspruch aus enteignendem Eingriff und den sog. Aufopferungsanspruch –, die auf außergewöhnliche Einzelbelastungen beschränkt sind. Der Betroffene sei danach nur deshalb zu einer Entschädigung berechtigt, weil ihm durch den rechtmäßigen hoheitlichen Eingriff ein sog. „Sonderopfer“ abverlangt werde. Ein „Sonderopfer“ sei nur dann anzunehmen, wenn der Betroffene im Vergleich zu anderen ungleich behandelt wird, wenn er also eine anderen nicht zugemutete, die allgemeine Opfergrenze überschreitende besondere Belastung hinnehmen muss. Demzufolge dürfte ein Sonderopfer im rechtlichen Sinne nicht vorliegen, da die Maßnahmen sämtliche Unternehmen der betroffenen Branchen treffen.

  • Gleichwohl wird im aktuellen DATEV-Magazin empfohlen, Widerspruch gegen die angeordnete Betriebsschließung einzulegen, um eventuelle Ansprüche auf Verdienstausfallentschädigung zu sichern. Je nach Bundesland sei diese Allgemeinverfügung binnen Monatsfrist mit dem Rechtsmittel der Anfechtungsklage oder des Widerspruchs anzugreifen https://www.datev-magazin.de/praxis/rechtsberatung/anspruch-auf-entschaedigung-25571 . Die Erfolgsaussichten sehen wir nach subjektiver Einschätzung in Anbetracht des Umfangs und der Dauer der Allgemeinverfügungen als eher gering an.
  • Sollten Sie dennoch den Rechtsweg beschreiten wollen, sollten Sie hierzu unbedingt rechtlichen Rat einholen.

Und wie immer zum Schluss: Bitte sprechen Sie uns bei Fragen und für Hilfestellungen gerne an.

Wir wünschen Ihnen trotz dieser nicht immer fantastischen Neuigkeiten Zuversicht und viel Gesundheit.

Ihr VTP-Team

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